Nein zum Koalitionsvertrag von SPD, Grüne und DIE LINKE in Berlin. Für eine kämpferische linke Opposition!

Beschluss der Mitgliederversammlung DIE LINKE. Neukölln am 2. Dezember

Den von der Mitgliederversammlung von DIE LINKE. Neukölln am 25. Oktober 2021 beschlossenen  “Erwartungen an Koalitionsverhandlungen von SPD, Grünen und DIE LINKE in Berlin” wird der nun vorgelegte Koalitionsvertrag nicht gerecht; verschiedentlich steht der Vertrag sogar im Gegensatz zu unserem Wahlprogramm.

Besonders enttäuschend ist, dass im vorliegenden Koalitionsvertrag die Umsetzung des erfolgreichen Volksentscheids “Deutsche Wohnen & Co. enteignen!” nicht vereinbart wurde, sondern lediglich Prüfaufträge an eine Kommission erteilt werden.

Die Mitgliederversammlung von DIE LINKE.Neukölln empfiehlt den Mitgliedern des Bezirksverbandes Neukölln, beim anstehenden Mitgliederentscheid über den Koalitionsvertrag zwischen SPD, Grünen und DIE LINKE mit “Nein” zu stimmen.

Die Mitgliederversammlung von DIE LINKE.Neukölln bittet die Mitglieder des Bezirksverbands, für diese Position im Landesverband, insbesondere beim anstehenden außerordentlichen Landesparteitag, zu werben.

Die Mitgliederversammlung fordert die Neuköllner Abgeordneten der Linksfraktion Berlin auf, im Falle der Bildung einer rot-grün-roten Koalition, der Wahl von Franziska Giffey zur Regierenden Bürgermeisterin nicht zuzustimmen.

Begründung:

Bei unserer letzten Mitgliederversammlung haben wir als DIE LINKE Neukölln mehrere Erwartungen formuliert und beschlossen, die aus unserer Sicht erfüllt sein müssten, um einer Fortsetzung einer Koalition mit SPD und Grünen zustimmen zu können. Leider liefert der vorliegende Koalitionsvertrag in zentralen Punkten nur wenige Verbesserungen gegenüber dem Sondierungspapier.

In Bezug auf den erfolgreichen Volksentscheid “Deutsche Wohnen und Co. enteignen” besteht im vorliegenden Koalitionsvertrag keine klare Umsetzungsperspektive, sondern lediglich die Absicht zur Einberufung einer Kommission, die erst 2023 “Empfehlungen für das weitere Vorgehen an den Senat ” erarbeiten soll, “der dann eine Entscheidung darüber trifft”. Auf Basis der Empfehlungen der Kommission sollen “die zuständigen Senatsverwaltungen gegebenenfalls Eckpunkte für ein Vergesellschaftungsgesetz” vorlegen. “Danach wird der Senat eine abschließende Entscheidung darüber treffen. Dieses Vorgehen stellt sich gegen die Mieter:innenbewegung in Berlin sowie gegen die mehr als 1eine Million Berliner:innen, die mit klarer Mehrheit für die Vergesellschaftung großer Wohnungskonzerne gestimmt haben und nicht für eine verzögerte Prüfung, die bereits durch zahlreiche Gutachten geschehen ist. Es ist zudem bezeichnend, dass sich die SPD die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen gekrallt hat. Darunter leiden neben dem Volksentscheid auch weitere linke Projekte im Bereich Mieten und Wohnen.

Dieses Vorgehen stellt sich gegen die Mieter:innenbewegung in Berlin sowie gegen die mehr als 1eine Million Berliner:innen, die mit klarer Mehrheit für die Vergesellschaftung großer Wohnungskonzerne gestimmt haben und nicht für eine verzögerte Prüfung, die bereits durch zahlreiche Gutachten geschehen ist. Es ist zudem bezeichnend, dass sich die SPD die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen gekrallt hat. Darunter leiden neben dem Volksentscheid auch weitere linke Projekte im Bereich Mieten und Wohnen.

Auch bei anderen wichtigen Themen fällt der Koalitionsvertrag weit hinter die Erwartungen an eine linke Regierungsbeteiligung zurück. Zwar haben sich der Beschäftigten der Vivantes-Töchter die schrittweise Angleichung an den TVöD erkämpft, die Koalitionsvertrag positiv erwähnt wird. Von einer Rückführung der Töchterunternehmen in die Mutterunternehmen, einer weiteren zentralen Forderung der Beschäftigten, ist im Koalitionsvertrag nicht die Rede.

Der Koalitionsvertrag sieht vor, die von DIE LINKE bisher abgelehnte Ausschreibung von Betrieb und Instandhaltung der S-Bahn abzuschließen. Damit droht die Privatisierung und Zerschlagung der S-Bahn, mindestens findet eine Teilprivatisierung statt. Zwar ist als begrüßenswertes Ziel die Kommunalisierung der S-Bahn formuliert, es ist aber unwahrscheinlich, dass die Deutsche Bahn die profitable S-Bahn an das Land Berlin veräußert. Bei einer entsprechenden Ablehnung greifen die normalen Mechanismen der Ausschreibung, diesmal dann mit Zustimmung unserer Partei.

Zurecht haben in den vergangenen Jahren tausende Menschen gegen systematische und teilweise rassistische Polizeigewalt demonstriert und dabei ebenfalls zurecht die Berliner Polizeibehörden adressiert. Hinzu kommen die Verstrickungen zwischen Polizeibeamt:innen und AfD und Nazis auch hier in Neukölln. Wir können keinem Koalitionsvertrag zustimmen, welcher mehr Personal bei der Polizei fordert und zudem an sogenannten “kriminalitätsbelasteten Orten” (darunter fallen etwa Teile der Hermannstraße und der gesamte Hermannplatz) mehr Videoüberwachung fordert, wovon insbesondere Menschen mit Migrationsgeschichte betroffen sind. Es gibt keine Positionierung gegen unverhältnismäßige Durchsuchungen von Gewerbetreibenden, die regelmäßig in Neukölln und anderen Bezirken unter dem stigmatisierenden Begriff “Clan-Razzia” stattfinden.

Anstatt das sogenannte “Neutralitätsgesetz” abzuschaffen oder grundlegend zu reformieren, weil es zu einem faktischen Berufsverbot für kopftuchtragende Muslima führt, soll das “Neutralitätsgesetz” nur an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts “angepasst” werden. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, demzufolge pauschale Kopftuchverbote für Lehrerinnen der Religionsfreiheit widersprechen, wurde von der Berliner SPD 6 Jahre lang bewusst ignoriert.


Statt einen grundsätzlichen Paradigmenwechsel bei der Asylpolitik herbeizuführen, beschränkt sich der Koalitionsvertrag auf einen Verzicht von nächtlichen und winterlichen Abschiebungen. Die grundsätzliche Forderung der LINKEN nach Ablehnung von Abschiebungen als Teil einer inhumanen Asylpolitik und nach dem Ausbau eines humanitären Bleiberechts für schutzbedürftige Menschen lässt sich im vorliegenden Koalitionsvertrag nicht finden.

Auch in Bereichen, die im Antrag vom 25. Oktober 2021 nicht berücksichtigt wurden, enthält der Koalitionsvertrag kritikwürdige Positionen. So ist es aus Neuköllner Sicht hochproblematisch, dass der Hinterzimmer-Deal mit dem Milliardär René Benko zum Karstadt-Neubau nun im Koalitionsvertrag festgeschrieben ist. Viele Anwohner:innen wehren sich zurecht gegen einen gigantomanischen Neubau, der Gentrifizierung und Verdrängung befördern wird, bei der einzigen Gegenleistung einer gerade mal dreijährigen Beschäftigungsgarantie für die Karstadt-Beschäftigten.

Es ist für uns insgesamt nicht ersichtlich, wo sich DIE LINKE substanziell in diesem Koalitionsvertrag durchsetzen konnte. Wir haben in und vor dem Wahlkampf gemeinsam mit sozialen Bewegungen und Initiativen für bezahlbare Mieten, für die Enteignung von Wohnungskonzernen und Vergesellschaftung der Berliner Wohnungsbestände gekämpft, gegen die drohende Privatisierung der S-Bahn, gegen Alltags- und systematischen Rassismus und für eine Bleibeperspektive für alle, die hierherkommen. Das spiegelt sich nicht ausreichend in diesem Koalitionspapier wider. Wir plädieren für eine kämpferische Opposition, die an der Seite von Mieten-, antirassistischer-, Klima- und sozialer Bewegung steht und, wie auch in der Vergangenheit schon oft geschehen, mit ihnen Erfolge erkämpft.