Unseriös und unsozial: Die Politik des CDU-SPD-Senats
Protest und Unmut beim Besuch des Regierenden Bürgermeisters Kai Wegner in Neukölln
Am 21. Juli 2025 hatte Berlins Regierender Bürgermeister zum „Kai vor Ort“ in das Jugendzentrum Wutzkyallee eingeladen. Die Linke Neukölln und das Bündnis 90/ Die Grünen hatten dies zum Anlass genommen, zum Protest gegen die geplanten Kürzungen im Jugend- und Sozialbereich aufzurufen. 100 Kinder, Jugendliche und Sozialarbeiter*innen waren vor Ort, um Kai Wegner die rote Karte zu zeigen. An der Kundgebung beteiligten sich viele Träger, die von den geplanten Kürzungen betroffen sind und schon seit Jahren unter einer chronischen Unterfinanzierung leiden.
An dem anschließenden Bürgerdialog im geschlossenen Raum nahmen circa 50 vorab ausgewählte Menschen teil, vorwiegend aus dem Bildungs- und Sozialbereich. Was sie bekamen, war eine Mischung aus einstudierter PR- Show, ausweichenden Antworten und dem altbekannten Spiel: Schuld sind immer die anderen. Erzieher*innen, Sozialarbeiter*innen und Lehrkräfte aus dem Publikum warnten eindringlich vor den geplanten Kürzungen. Viele fürchten, dass Jugendclubs schließen müssen, dass alles, was nicht gesetzlich als Pflichtleistung vorgeschrieben ist, gestrichen werden könnte. Diese Angst und Unsicherheit lähmt und zermürbt schon jetzt soziale Angebote für junge Menschen der Stadt. Eine Sozialarbeiterin fand klare Worte: „Ich habe Angst. Ich bin traurig. Ich bin ohnmächtig.“
Wegners Reaktion? Schulterzucken im Dreiteiler. Sein Senat habe doch mehr Geld als der vorherige ausgegeben (in absoluten Zahlen, aber eben ohne Berücksichtigung von Inflation, Tarifsteigerungen oder jahrzehntelanger Unterfinanzierung), oder er schob die Verantwortung an die Bezirke weiter: Die müssten eben Schwerpunkte setzen.
Beim Thema Stadtentwicklung und Mobilität inszenierte sich Wegner als Stimme der Vernunft gegen die angeblich „ideologiegetriebene“ Verkehrspolitik seiner Vorgänger. Forderungen nach Radwegen mit 2,50 m Breite? Reine Spinnerei. Stattdessen wolle sein Senat die alten Radwege sanieren. Was hingegen für ihn nicht zur Debatte steht: der Ausbau der A100. Der 17. Bauabschnitt bleibt gesetzt, trotz massiver Proteste. Wegner erklärte, es sei zwar ein Bundesprojekt, als Landespolitiker hätte er sowieso keine Mitsprache, aber selbst, wenn er die Entscheidung treffen könnte – er würde sie nicht stoppen. Berlin brauche eben „mehr Platz für Autos“.
Die wohl deutlichste Konfrontation entzündete sich an der Frage nach dem Umgang mit Volksentscheiden – konkret: Deutsche Wohnen & Co. enteignen (DWE) und dem vollständigen Erhalt des Tempelhofer Felds. Initiativen haben Angst, dass Entscheide, die demokratisch unter viel Anstrengung errungen wurden, ignoriert und gewendet werden, wenn sie nicht in Wegners Agenda passen. Auf die Frage, wie er es mit seinem Gewissen vereinbaren könne, demokratisch legitimierte Volksentscheide zu ignorieren, antwortete Wegner: „Ich kann es nicht mit meinem Gewissen vereinbaren, den Volksentscheid umzusetzen.“ Stattdessen: das bekannte CDU-Mantra „bauen, bauen, bauen“ – jedoch ohne Plan für sozialen Wohnungsbau. Die Veranstaltung endete, wie sie begann: mit viel Frust im Raum.
Kai Wegner bot kaum Lösungen, dafür reichlich Ausflüchte, PR-Sprech und das Festklammern an alten Rezepten. Den Bürger*innen sagte er: Ihr Anliegen ist wichtig. Aber er ist offenbar nicht bereit, für irgendetwas, was in dieser Stadt schiefläuft, Verantwortung zu übernehmen.
Kehrtwende in der Haushalspolitik?
Am selben Tag ließ der Senat noch eine spektakuläre Kehrtwende in der Haushaltspolitik verkünden. Anstatt 2 Milliarden Euro einzusparen, sollen 4 Milliarden Euro mehr ausgegeben werden. Möglich gemacht wurde dies durch die Beteiligung der Länder am Sondervermögen für Zukunftsinvestitionen des Bundes sowie durch die Lockerung der Schuldenbremse für die Länder. Die zusätzlichen Investitionsmittel fließen in den Wohnungsbau, den ÖPNV und in die Verkehrsinfrastruktur. Die Bereiche Kultur und Bildung, Jugend und Familie gehen aber leer aus.
Die Bezirke erhalten insgesamt 1,4 Milliarden Euro mehr. Aber das ist kein Grund für Entwarnung: Die zusätzlichen Mittel sind nahezu komplett für gesetzliche Pflichtaufgaben vorgesehen, die sowieso getätigt werden mussten. Die Bezirke sollen zwar mit zehn Prozent an den Zukunftsinvestitionsmitteln beteiligt werden, aber ob das zu einer Verbesserung in den bedrohten Bereichen führt, ist momentan völlig unklar. Aktuell bleibt es bei den Sparvorgaben, die auch den Jugendbereich stark belasten.
Warum diese vermeintliche Kehrtwende? Im nächsten Jahr stehen Wahlen an und der CDU / SPD Senat hat wohl kalte Füße bekommen, die soziale Infrastruktur der Stadt jetzt endgültig gegen die Wand zu fahren. Die Senatsparteien haben sich angesichts dieser 180-Grad-Wende in der Haushaltspolitik maximal blamiert. Unseriöser geht es nicht. Doch auch wenn es jetzt mehr Geld gibt, einiges wurde bereits zerstört. Die Kürzungen zu Jahresbeginn und die permanente Verunsicherung der Träger haben für massive Einschnitte in der sozialen Infrastruktur der Stadt verursacht.
Wir meinen, dass die Kehrwende in der Haushaltspolitik vor allem ein Erfolg der Proteste und auch ein Erfolg Der Linken ist. Wir haben dem Unmut in der Stadt eine Perspektive gegeben. Die Linksfraktion in der BVV Neukölln wird zur Haushaltsberatung im September weiter dafür kämpfen, dass keine Einrichtungen geschlossen oder Angebote gestrichen werden müssen. Auf einer Versammlung mit Kindern und Jugendlichen, den Trägern und den Beschäftigten soll eine gemeinsame Strategie entwickelt werden.
