Maja geht uns alle an

Bericht einer Neuköllner Genossin über die Verhandlung gegen die Antifaschistin Maja in Budapest:

Im Februar 2023 war Maja T. in Budapest, wo ein jährlicher Aufmarsch von Rechtsextremen und Neonazis stattfand.  Die ungarische Justiz wirft Maja vor, bei Gegendemonstrationen Neonazis attackiert und schwer verletzt zu haben. Sie befindet sich unter menschenunwürdigen Bedingungen als non-binäre Person in ungarischer Untersuchungshaft, obwohl ihre Auslieferung nach Ungarn rechtswidrig war. Ariane von der BO Rix war in Budapest und hat einen Gerichtstermin miterlebt. Hermann, Sprecher der Linken Neukölln, hat Ariane dazu interviewt.

H.: Ariane, du hast auf einem Treffen der Basisorganisation Rix davon erzählt, dass du in Ungarn warst, um Maja T. bei einem Verhandlungstag Solidarität zu zeigen. Was hatte dich veranlasst, nach Ungarn zu fahren?

A.: Ich wollte den Gerichtsprozess gegen Maja miterleben und mich mit Genoss*innen vor Ort über mögliche Solidaritätsaktionen austauschen. Das war dann einfacher als ich dachte. Ich kam ohne Anmeldung ins Gerichtsgebäude. Und dann konnte ich tatsächlich den Gerichtsprozess live verfolgen. Maja war zu dem Zeitpunkt im Hungerstreik und in dem Prozess sollte entschieden werden, ob sie ihre Untersuchungshaft in Hausarrest verbüßen darf, also ob sie nach Hause gehen oder zumindest in eine Privatwohnung gehen kann. Sie muss unbedingt aus der Isolationshaft und den unmenschlichen Haftbedingungen raus.

An Maja oder etwa Hanna S. im Budapest-Komplex wie auch im Verfahren um Lina E. soll ein Exempel statuiert werden. Damit sollen Menschen, die aktiv gegen Faschos kämpfen, unter Generalverdacht gestellt und entmutigt werden. Jetzt drohen Maja 24 Jahre Haft, das ist der totale Wahnsinn. Das hat mir keine Ruhe gelassen. Ich gehe zu den Solidemos in Jena und hier in Berlin, aber Budapest musste unbedingt auch sein. Maja geht uns alle an. Eine bedingungslose Solidarität mit der Person Maja, die dort wirklich unter widerwärtigsten Bedingungen in dieser unglaublichen Isolationshaft ist, muss selbstverständlich sein. Selbst das Bundesverfassungsgericht erachtet die Haftbedingungen als rechtswidrig. Das ist wirklich ein Justizskandal.

H.: Könntest du das näher beschreiben, was du damit meinst? Selbst in der bürgerlichen Presse wird offen davon gesprochen, dass das mit Maja ziemlich schräg gelaufen ist. Was ist aus deiner Sicht der Skandal?

A.: Die ungarische Justiz hat einen europäischen Haftbefehl gegen Maja ausgesprochen und begründet diesen mit der Bildung einer terroristischen Vereinigung, an der sie beteiligt gewesen sein soll. Das Kammergericht Berlin hat daraufhin entschieden, dass die Auslieferung von Maja an die ungarischen Behörden rechtens ist. Es hat damit die Hinweise von Majas Anwalt, dass Maja in Ungarn kein nach rechtsstaatlichen Normen gültiges Verfahren zu erwarten habe und die Haftbedingungen in Ungarn unmenschlich seien, einfach missachtet. Dies wiegt besonders deshalb schwer, weil Maja non-binär ist. Sie wird in Budapest aber komplett als männlich angesehen. Was das im Gefängnisalltag bedeutet, kann sich jeder vorstellen, das ist unglaublich diskriminierend.

Nachdem klar war, dass das Berliner Kammergericht an seiner Entscheidung festhält, hat Majas Anwalt einen Eilantrag zur Aussetzung der Auslieferung beim Bundesverfassungsgericht gestellt. Und hier ist der eigentliche Skandal: Die Verantwortlichen hätten mit der Auslieferung warten müssen, bis dieses Eilverfahren durch ist. Aber das Landeskriminalamt Sachsen hat die Information, dass jeden Moment der Eilbeschluss kommen kann, nicht nach Berlin durchgegeben und somit wurde die Auslieferung durchgezogen. Maja wurde im Juni 2024  in einer Nacht- und Nebelaktion rechtswidrig ausgeliefert. Das Bundesverfassungsgericht hat nämlich dem Eilantrag stattgegeben und geurteilt, dass die Auslieferung nicht stattfinden darf und hat sogar veranlasst, die Überführung von Maja nach Ungarn via Österreich abzubrechen und sie zurückgeholt werden müsse. Aber da war es schon zu spät, der Akt war quasi schon vollzogen. Maja wird seit Februar in Budapest jetzt der Prozess gemacht. Da wurde Maja auch schon an Verhandlungstagen in Handschellen, Fußfesseln und an einer Art Leine in den Gerichtssaal gebracht.

H.: Was läuft denn in Deutschland an Soli-Aktivitäten? Am 7. Juli wurde beispielsweise auf Initiative von Majas Vater eine Petition übergeben. Was läuft sonst?

A.: Ja, ich war ganz fasziniert von den über 100.000 Unterschriften, die bei der Petition gesammelt und dem Auswärtigen Amt übergeben wurden. Maja ist jetzt in der Öffentlichkeit. Mittlerweile haben sich auch politische Parteien eingemischt. Von Anfang an war es aber die Partei Die Linke, die an dem Thema dran war. Die Grünen sind dann dazugekommen, jetzt bewegt sich sogar die SPD. Das Außenministerium ist in der Verantwortung, darauf hinzuweisen, dass das, was in Ungarn mit Maja passiert, nicht menschenwürdig ist und europäischen Menschenrechten widerspricht. Es muss dafür sorgen, dass Maja zurückkommt. Bisher wurde nur eine konsularische Betreuung in Ungarn zugesagt.

H.: Die letzte Frage. Du hast gesagt, die Partei Die Linke hat den Fall Maja T. von Anfang an skandalisiert und zum Thema gemacht. Siehst du Möglichkeiten, da noch aktiver zu werden? Wie könnte man die Solidaritätsarbeit noch weiter fördern?

A.: Ich glaube, wir müssen die Solidarität mit Maja auch als Kampf zur Verteidigung von Rechtsstaatlichkeit und von Menschenrechten sehen. Und deswegen dürfen wir auch nicht aufhören, darauf zu pochen und zu zeigen: Demokratie ist Antifaschismus und Antifaschismus ist demokratisch. Und wir verteidigen hier wirklich die Demokratie. Und das müsste auch die CDU verstehen. Die CDU muss aufhören zu denken, sie würde sich die Finger schmutzig machen, wenn sie sich um eine Antifaschist*in kümmert.

Wir müssen zeigen, dass es als Linke selbstverständlich ist, die Demokratie zu verteidigen, Antifaschismus zu praktizieren und dass diese beiden Dinge Hand in Hand gehen. Der Antifaschismus ist notwendig, um die Demokratie zu verteidigen. Hier handelt es sich nicht um ein linksradikales Nischenthema, das ist ein Thema, das geht alle was an. Da geht es um Rechtsstaatlichkeit, um Demokratie und um Menschenwürde.